Der doppelte Ulli: Tukur mimt diesmal nicht nur den Kommissar, sondern auch das Mordopfer. Der »Tatort« als Sommer-Groteske mit hohem Sehnsuchtsfaktor.
Foto: Hendrik Heiden/ Hendrik Heiden/ BR
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Unterhaltung
Das Szenario:
Urlaub vom Ich. Während ein paar freier Tage im nahegelegenen Taunus begegnet Felix Murot dem Gebrauchtwagenhändler Walter Boenfeld, mit dem er auf den Schock, dass er haargenau so aussieht wie er selbst, erst einmal ein halbes Dutzend Weinflaschen leeren muss. Am nächsten Morgen liegt der neureiche Autohändler mit 2,3 Promille im Blut überfahren am Straßenrand – wird allerdings fälschlich als Murot identifiziert. Der verkaterte Kommissar schlüpft ins Hawaiihemd des anderen und legt sich dessen Goldkettchen an, um den Täter aufzuspüren.
Der Clou:
Der doppelte Ulli: In Gegenschnitten vom feingeistigen Schluckspecht Murot zum materialistischen Säufer Boenfeld zieht Tukur während des epischen Absturzes am Anfang alle humorigen Register des Doppelgänger-Stoffs – um seinen Murot im fremden Leben eigene Sehnsüchte erkennen zu lassen. Gleichzeitig wird unverblümt bei Jacques Tatis Klassiker »Die Ferien des Monsieur Hulot« geklaut.
Das Bild:
Murot undercover auf seiner eigenen Beerdigung. Ein Trauerzug schreitet vorbei und begleitet den Sarg, in dem die Leiche seines Doppelgängers liegt. Murot schaut aus dem Versteck auf den kläglichen Haufen Beerdigungsgäste und bemerkt pikiert: »Viele sind ja nicht gerade gekommen.«
Der Dialog:
Die Kollegin Magda Wächter (Barbara Philipp) muss in der Gerichtsmedizin die Leiche des vermeintlichen Murot identifizieren.
Wächter: »Mir kommt er so fremd vor.«
Gerichtsmediziner: »Die sind immer so postmortal. Die Muskulatur schlafft ab und entspannt sich. Sogar die Falten. Der Tod macht uns alle wieder zu Kindern.«
Der Song:
»Griechischer Wein« von Udo Jürgens. Läuft während der Grillparty bei den Nachbarn, so feiert die High Society im Taunus. Mittendrin: Murot als falscher Gebrauchtwagenhändler, der auf dem Tennisplatz sonderbar staksige Angaben macht – eine Hommage an das Match in Tatis Bewegungsgroteske, die hier auch musikalisch zitiert wird: Der Score am Anfang ist großzügig aus Tatis Film übernommen.
Die Bewertung:
9 von 10 Punkten. Ich ist ein anderer: Tukur swingt und trinkt sich in Topform durch eine weitere metaphysische Kriminalkomödie.
Die Zugabe:
Wenn Ihnen nach dieser Doppelgängergeschichte nach noch mehr groteskem Krimi-Spaß ist, dann schauen Sie einfach in der ARD-Mediathek die Mockumantary »How to Tatort« weiter.
»Tatort: Die Ferien des Monsieur Murot«, Sonntag, 20.15 Uhr, Das Erste
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